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Von: Björn Hartmann
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Babykost von Hipp kennt hierzulande jedes Kind. Zum 125. Geburtstag gewährt der Biopionier einen seltenen Blick in sein Werk in Pfaffenhofen.
Pfaffenhofen – In der Luft hängt ein Hauch von Möhre. Auch wenn die Beschäftigten in weißen Kitteln und Haarnetzen gerade die Edelstahlanlage abspritzen, ist klar, was hier vor kurzem noch in den Riesentöpfen gekocht hat und dann durch die Rohre zur Abfüllung gepumpt wurde. Stefan Hipp ist bereits durch die nächste Tür, steigt eine Treppe hoch, um die Ecke – diesmal riecht es nach Apfel. Hipp, Chef der gleichnamigen Firma, Biopionier nicht nur bei Babykost, hält inne, atmet tief ein.
Hipp wird 125 Jahre alt: Jedes Kind kennt die Marke
Generationen von deutschen Kindern sind mit den Produkten von Hipp aufgewachsen – Gläschen mit Möhrenbrei oder Apfelmus, die hier im Werk im beschaulichen Pfaffenhofen nördlich Münchens vom Band laufen. Normalerweise sind die Türen geschlossen, aber zum 125. Geburtstag des Familienunternehmens macht Stefan Hipp eine Ausnahme. Bevor es in das größte der fünf Werke geht, müssen Hände und Schuhe desinfiziert, saubere Kittel angezogen werden.
Hipp ist hier schon als Kind durchgelaufen, dem Besucher kommt alles etwas labyrinthisch vor. Aber das Werk folgt einem optimalen Produktionsfluss – von der Anlieferung der Rohware bis zu den fertigen Gläschen, in Kartons auf Paletten gestapelt. Und während am Anfang noch teilweise von Hand abgewogen wird, läuft spätestens nach dem Kochen in Töpfen mit zwei Metern Durchmesser alles vollautomatisch. Etwa 1000 Beschäftigte arbeiten in drei Schichten, sieben Tage die Woche.
Wichtig ist, dass die Bioqualität, die vorn angeliefert wird, hinten im Gläschen drin ist – auch im industriellen Maßstab. Hipp spricht über Anbau, Vorgaben, aufwendige Kontrollen in eigenen Laboren. „Es ist schwieriger als noch vor 20 Jahren, heute die hohe Qualität in der erforderlichen Menge zu bekommen“, stellt Hipp fest. „Das Klima hat sich geändert, die Böden und damit die Grundlagen, wie die Landwirte produzieren.“ Er merkt das selbst auf seinem Gut im Osten Polens, das er seit Jahren vom konventionellen zum Bio-Vorzeigebetrieb umbaut. So lässt sich mit Hipp auch nicht nur über optimierte Produktion und Kreislaufwirtschaft reden, sondern auch über die richtige Kompostierung von Mist. Und natürlich beliefert Hipp auch Hipp.
Der Chef führt vorbei an Säcken mit Dinkel, mit Reis. Er öffnet eine weitere Tür. Riecht das nach Thymian und Oregano? Fleisch mit Tomate und Kräutern, vermutet Hipp. Auch hier Edelstahl überall, Waagen, Kästen, Rohre, Riesentöpfe. In einer Ecke steht ein Fleischwolf in Schrankkofferformat, bereits gereinigt und vorbereitet für die nächste Schicht. Der Firmenchef strebt einen Gang entlang.
Hipp beginnt in den 50er Jahren mit Bio-Lebensmitteln
Begonnen hat alles am Marktplatz von Pfaffenhofen, wo Joseph Hipp in seiner Bäckerei Ende des 19. Jahrhunderts ein Zwiebackmehl entwickelt. Mit Milch gekocht, ist es als Zusatznahrung für seine erste Tochter Marianne gedacht. Auch andere wollen bald J. Hipps Kinder-Zwieback-Mehl kaufen. Sohn Georg erfindet das Gläschen, setzt als erster auf bio, bevor Enkel Claus das Unternehmen groß und mit Fernsehwerbung bekannt macht. Inzwischen hat er sich zurückgezogen. Die Firma gehört seinen Kindern Stefan und Sebastian.
„Als wir in den 50er Jahren mit der Biokost angefangen haben, gab es keine Vorschriften, was Bio ist“, sagt der Firmenchef. „Wir haben eigene entwickelt, damit die Bauern wussten, was wir darunter verstehen.“ Und auch heute sind die Vorgaben streng, teilweise strenger als die der EU – zu Produktqualität und Saatgut, zu Bodenqualität, Tierhaltung und Blühstreifen sowie Hecken, um die Artenvielfalt zu fördern. Wichtig ist Hipp auch, die rund 8000 Landwirtschaftsbetriebe weltweit, die zuliefern, gut zu kennen und langfristig zu binden. „Heute arbeite ich mit jemandem zusammen, dessen Großvater schon mit meinem Großvater gearbeitet hat“, sagt er.
Überhaupt Tradition: Das heutige Logo mit den vier Farben und den Herzen stammt von 1969. Es ist praktisch unverändert auf allen Produkten des Unternehmens zu sehen, ob sie in Europa, dem Nahen Osten oder im wachsenden asiatischen Markt in den Regalen stehen. Hipp liefert in mehr als 60 Länder, nicht nur Gläschen, die gut 40 Prozent des Geschäfts ausmachen, auch Milchprodukte für Babys, die aus dem Werk im nordrhein-westfälischen Herford kommen, Quetschbeutel, natürliche Sondennahrung für Menschen, die künstlich ernährt werden müssen, und Kosmetik.
Schwere Zeiten auch für Hipp: Energiekosten sind enorm gestiegen
Die Geschäfte laufen, mit mehr als 3000 Mitarbeitern setzt das Familienunternehmen rund eine Milliarde Euro um. Über den Gewinn schweigt sich Hipp aus. Ein Selbstläufer sind die Gläschen nicht. „Der Markt ist herausfordernd“, sagt der Chef. Die Kosten für Energie, Verpackung und Rohstoffe seien enorm gestiegen, gleichzeitig sparten die Menschen. Und: „Die sinkende Geburtenrate in manchen Ländern macht uns zu schaffen“, sagt Hipp. Das betrifft vor allem die Babykost. „Den Umsatz halten wir stabil, weil anderes Geschäft wächst.“ Auf jeden Fall legt der Biomarkt zu.
Dass Bioprodukte teuer sind, findet er nicht. Die anderen sind zu billig. „Der Regalpreis konventioneller Lebensmittel berücksichtigt nicht alle Kosten“, sagt er. „Für die Schäden wie zum Beispiel die Trinkwasserverunreinigung kommt der Steuerzahler auf.“ Hipp versucht, es anders zu machen, nicht nur mit den Anbauvorgaben. Die Firma setzt, wenn möglich, auf kurze Transportwege, Recyclingglas. Das neue Parkhaus ist mit Baumstämmen verkleidet, oben gibt es ein Storchennest. Und auf dem Dach des Werks nistet ein Falke als natürliche Taubenabwehr.
Hipp gibt es nicht nur in Deutschland: Polen und Italien auch wichtige Märkte
Größter Markt für Hipp ist Deutschland, gefolgt von Polen und Italien. Die Geschmäcker unterscheiden sich etwas. Eltern in Deutschland greifen am liebsten zu Gläschen mit Milchreis oder Spaghetti Bolognese. In Italien mag man Kaninchen, in Frankreich Fisch, die Briten und Britinnen eher Lamm und in Polen zum Beispiel Borschtschsuppe.
Hinter der nächsten Tür rauscht es, so laut, dass Gespräche kaum möglich sind. Bänder überall, ein Gewirr von Stegen in Edelstahl, von Kabeln und Leitungen. Und es ist warm, die Öfen, in denen die Gläschen sterilisiert werden, strahlen Hitze ab. Die Anlage hier befüllt die Gläschen, verschließt sie, ein steter Strom Apfel. Weiter hinten greifen Roboterarme zu. An der letzten Station warten die vollen Paletten auf den Abtransport. Insgesamt verlassen täglich eine Million Gläschen das Werk. Die letzte Tür fällt hinter Stefan Hipp zu.